Rede zum 1. August

Hier ein paar Bilder von der Bundesfeier in Gelterkinden sowie einzelne Passagen aus meiner Rede:
(Danke Thomas Schaltegger für die tollen Bilder!)

Onlinereports.ch war auch in Gelterkinden und hat einen Bericht veröffentlicht.

(…) Sie kennen sicher die Geschichte – inklusive dem Mythos rund um die Bundesbriefe im 13. und 14. Jahrhundert, in welcher sich die drei Talschaften Uri, Schwyz und Unterwalden gegenseitige Hilfe versprachen. Es lässt sich feststellen, dass die drei Talschaften damals drei Aspekte zum Ausdruck brachten: Sie haben Mut gehabt, sie haben etwas Neues gewagt und sie haben Erfolg gehabt. (…)

«Mut haben und etwas Neues schaffen…»

(…) Der Erfolg unsere Landes beruht auf der Leidenschaft von Menschen mit Ideen, Visionen und Zielen. Menschen, die in der Lage waren, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Menschen, die den Mut hatten, über den Tellerrand zu schauen und die daran geglaubt haben, dass es sich lohnt miteinander und nicht gegeneinander etwas Neues zu erschaffen. (…)

(…) Unsere heutige Schweiz ist aber kein Selbstläufer. Vielmehr müssen wir uns bewusst sein, dass der heutige Wohlstand seine Grundlagen in der Innovation und Kreativität des Einzelnen hat – sowie in weisen Entscheidungen und der gesellschaftlichen Bereitschaft, gemeinsam unser Land zu gestalten. Damit wird auch klar, dass unser Wohlstand, unser sozialer Frieden, der gesellschaftliche Zusammenhalt vergänglich sind. Das, was wir heute entscheiden, gestaltet die Welt von Morgen, das, was wir heute tun und nicht tun, prägt Zukunft unseres Landes, die Lebensumgebung unserer Kinder und Grosskinder. (…)

(…) Wir sind alle eingeladen, ja aufgefordert, uns an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen. Unser Land bietet hierzu eine vermutlich weltweit einzige Ausgangslage: Die direkteste Form der Demokratie. Ja, wir können uns über die tiefe Wahlbeteiligung bei Abstimmungen oder Wahlen beklagen können. Wir können den Föderalismus beklagen. Und ja, der Kantönligeist ist ausgeprägt, und manchmal ist es mühsam und anstrengend zu realisieren, dass nicht in allen Kantonen und Gemeinden das Gleiche gilt. Ebenso stimmt, dass politische Prozesse in der Schweiz manchmal langsam sind und man das Gefühl hat, dass während andere Länder schon lange entschieden haben, sich unser Land noch in der Phase der Auslegeordnung befindet. Ja, wir können vieles beklagen, und ganz sicher gibt es auch immer Dinge zu verbessern. (…)

(…) Es waren und sind aber genau diese Strukturen, die unser Land dazu zwangen, austarierte, breit abgestützte Lösungen zu erarbeiten. Und deshalb sollten wir viel mehr stolz sein auf diese Errungenschaften der Mitsprache, der direkten Demokratie und des Föderalismus. Wir dürfen Vertrauen in unsere manchmal langsamen Entscheidungsstrukturen haben – weil es genau diese waren, die unser Land dazu zwangen, austarierte, breit abgestützte Lösungen zu erarbeiten. Es mag sein, dass dadurch der schnelle, grosse Wurf, den wir uns persönlich manchmal wünschen, nicht möglich ist. Viel wichtiger aber, als das schnelle Erreichen von individuellen Zielsetzungen ist der innere Zusammenhalt, die innere Stärke eine Gesellschaft – und hierfür haben wir in unserem Land hervorragende politische Instrumente.

Kurz: Der Erfolg dieses Landes ist meiner Meinung nach nicht trotz der schweizerischen Eigenheiten möglich geworden, sondern gerade wegen ihnen! (…)

(…) Wir sollten uns darum kümmern, wie es uns gelingt, eine Diskussionskultur zu erhalten, in welcher der gesellschaftliche Diskurs möglich bleibt, in welcher wir gemeinsam nach Lösungen suchen, statt nur Probleme zu benennen und zu beklagen, in welcher es möglich bleibt, die eigene Meinung zu äussern, ohne vom Gegenüber schubladisiert, stigmatisiert und abgeschrieben zu werden. Ja, wir müssen darüber nachdenken, wie es gelingt, eine offene, im wahren Sinne tolerante Gesellschaft zu bleiben und wieder neu zu werden. Es ist entscheidend, dass es möglich bleibt, im politischen Diskurs zu streiten, die andere Meinung und Haltung meines Gegenübers zuzulassen und sogar bereit zu sein, diese andere Meinung im Lösungsfindungsprozess als gleich wichtig zu den eigenen Ideen anzuerkennen.

Was es hierfür braucht? Respekt, Wertschätzung – lassen Sie es mich noch deutlicher sagen: Nächstenliebe. Wenn es uns gelingt, Politik nicht als das Spielfeld eines steten Machtkampfes zu verstehen, in welchem der Stärkere gewinnt und alle anderen verlieren, sondern wir unser Handeln der Maxime unterstellen, unsere Gesellschaft gemeinsam zu gestalten und dabei die Interessen der Starken genau so zu berücksichtigen, wie wir die Bedürfnisse der Schwächeren ernst nehmen und uns als Gesellschaft ihnen verpflichtet sehen, dann bauen wir die Schweiz von morgen! (…)

(…) Was Sie dazu beitragen können? Machen Sie mit! Gestalten Sie unser Land mit. Beteiligen Sie sich in der Gesellschaft – sei es in Vereinen und Organisationen oder in der Politik. Bringen Sie sich ein, überlassen Sie das Feld nicht den anderen, sondern nehmen Sie für sich in Anspruch, die Schweiz von Morgen mitzugestalten.

Denn ich bin überzeugt davon, dass wenn wir uns engagieren, unser Land noch viele Erfolgsgeschichten erlebt. (…)

© 2024 Thomi Jourdan